Mrz
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Getarnte Kaffeefahrt bei Nacht und Nebel
Ich habe eine ganz tolle Kaffeefahrt erlebt, bei der ich so gut wie nichts gesehen habe. Das ganze begann mit einem Gutschein für eine Live- Musikveranstaltung mit Lichtershow, den ich durch die Teilnahme an einer Umfrage im Einkaufszentrum gewonnen hatte. Da ich den Prospekt noch vor mir habe, kann ich einige Passagen daraus zitieren:
– ein stimmungsvoller Abend mit Musik und Tanz
– Weinverkostung möglich für einen Betrag von nur 20 Euro (vor Ort zu bezahlen, incl. kleiner Snacks)
– lukrative Darbietungen und kleine Überraschungen
In dem Anschreiben war nichts konkretes über die aufzutretenden Künstler zu finden oder welche Art von Musik dargeboten werden sollte. Ebenfalls fand ich keine beunruhigenden Worte wie Kaffeefahrt oder irgendwelche anderen Versprechen, vor denen immer gewarnt wird. Ich zeigte den Brief meinem Freund und da wir von Haus aus neugierig und musikinteressiert sind, füllten wir das beiliegende Anmeldeformular aus und schickten es zusammen mit dem Gutschein an die angegebene Adresse in Cloppenburg. Die Fahrt sollte am folgenden Samstag um 18 Uhr beginnen und gegen 3 Uhr morgens wären wir dann wieder zuhause.
Als wir dann am Treffpunkt ankamen, stand sogar der Bus schon da. Wir wurden vom Fahrer begrüßt und auf der Liste abgehakt und los gings. Im Bus waren bereits 8 andere Fahrgäste, so dass wir noch ein paar mal hielten, um weitere Leute einzuladen. Am Ende waren wir ein ziemlich gemischtes Publikum.
Vom Fahrer erfuhren wir dann das Ziel unserer Reise. Es ging nach Bröselsheim in ein neues Hotel, wo wir dann nach einer Stunde Fahrt ankamen. Dort erwartete uns eine hübsche junge Dame und ein gepflegter älterer Herr und stellte sich als Conferenciers vor. Dann ging es gleich zur Sache. Wer Wein verkosten wollte sollte am Tisch gleich die 20 Euro bezahlen, man könne aber auch Mixgetränke an der Hotelbar kaufen. Wir entschieden uns für die Weinverkostung, da die Getränkekarte der Hotelbar viel zu hohe Preise aufwies. Wir bekamen jeder 3 0,3 Literflaschen Wein und eine kleine Flasche Mineralwasser und einen kleinen Teller mit Salzstangen und einen mit sauren Gurken. Da kamen wir uns etwas veräppelt vor.
Endlich ging das Programm los. Die junge Dame stellte uns mit großer Begeisterung die Künstler Max und Moritz vor. Max an der Heimorgel und Moritz als Sänger. Was wir dann zu hören bekamen, waren die alten Schinken von Elvis. Dazu wurde der Saal abwechselnd beleuchtet. Mal gingen die Saallichter an der Decke an, mal die an der Wand, mal ein Spot an der Decke und dann wieder am Tisch. Das war so blöd, dass es schon wieder schön war, zumal tatsächlich einige Paare zu der Musik tanzten. Nach 1 Stunde, so gegen 23 Uhr war die Show beendet und jetzt begann der 2. Teil der Veranstaltung. Spätestens hier wurde den letzten klar, dass sie auf einer Kaffeefahrt gelandet sind. Max und Moritz packten die Instrumente ein und bauten dann auf einer Bierzeltgarnitur verschiedene Artikel auf.
Dann ging plötzlich das Licht aus und 3 Sekunden später leuchteten vor uns kleine Lampe auf. Der ältere Herr präsentierte uns die neueste, energiesparendste und praktischste Lampe, die in den nächsten Wochen auf den Markt kommt. Es waren kleine beleuchtete Würfel, die man überall in der Wohnung aufstellen konnte. Mit Akkus betrieben und der neueste Schrei im Design. Danach wurden noch andere LED-Lampen, High-Tech-Taschenlampen und andere Beleuchtungen vorgestellt, unter anderem auch Schwibbogen und Dompyramiden aus dem Erzgebirge mit LED-Lämpchen. Alles zum einmaligen Schnäppchenpreis. Da saßen wir nun vor unseren leeren Gläsern und wussten nicht wohin wir fliehen sollten. Die Hotelbar war bereits geschlossen, draußen regnete es in Strömen – wir saßen fest.
Dann erschienen wieder Max und Moritz auf der Bühne und in unserer Verzweiflung hofften wir, dass sie wieder Musik machen würden. Doch sie entpuppten sich plötzlich als Weinkenner und fragten uns, ob uns die probierten Qualitätsweise geschmeckt hätten. Ja, gaben wir zu und schon stand eine Kiste Wein auf dem Tisch. Der sei nicht im Handel erhältlich, sondern wurde direkt vom Weinhersteller bezogen, so dass der Preis für diese Weine durch den Wegfall von Zwischenhändlern, nur halb so hoch wäre wie üblich. Das hat nicht nur uns, sondern auch viele andere angeregt, einige Kisten davon zu bestellen. Wir bekämen dann ein Jahr lang jeden Monat 2 Kisten Wein für monatlich 80 Euro. Ich kann nicht mehr erklären, wieso wir diesen Vertrag abgeschlossen haben. Vielleicht hatten die uns was bei der Weinprobe in den Wein getan?
Jedenfalls haben wir auch nicht genau gelesen, als wir den Vertrag unterschrieben. Denn gleichzeitig haben wir dabei noch 5 Abos für Zeitschriften über Wein, Pferdezucht, Häkelarbeiten, Kochrezepte und einen Elternratgeber abgeschlossen, was wir aber erst bemerkten, als uns die Zeitschriften ins Haus flatterten. Der Wein ist eigentlich nicht schlecht, aber viel zu teuer. Die Zeitschriften haben wir gekündigt, nachdem wir bereits 3 Ausgaben bezahlen mussten.
Also wir möchten vor solchen einer Nacht und Nebel-Aktionen nur warnen. Die Tarnung für Kaffeefahrten wird immer besser.
Frauke und Manne X. aus Deppendorf