Online Kaffeefahrt

Meine Tante hat bei einer Kaffeefahrt in Berlin mitgemacht. Angefangen hat auch alles mit einem Brief. In dem stand, dass sie 250,-€ und einen Ausflug gewonnen habe. Dann war noch ein hübsches Bild von einem Präsentkorb abgebildet, den es gratis dazu geben sollte und darunter stand: „ Für Ihre Unterhaltung ist gesorgt!“ Bei mir landen solche „Gewinne“ immer im Papierkorb, aber nicht bei meiner Tante …

Als sie dann die Fahrt antrat, stellte sie bereits die ersten Überraschungen fest …
Sie fiel natürlich auf diese „Gutscheinnummer“ herein, doch anstatt der 250,-€ erhielt Sie später eine Belehrung, den Gutschein doch mal richtig zu lesen. Nur Kunden bekämen eine Prämie! Tja das hätte man sich doch auch denken können, oder?!

Dreist war aber auch, dass dann der Reiseleiter vor allen Leuten noch sagte: „ Sie haben ja dafür einen gratis Ausflug mit Verpflegung und allem drum und dran. Jetzt seien Sie mal nicht so geldgierig und undankbar. Für ihre Veranstaltung habe ich schließlich auch beträchtliche Unkosten gemacht.“ Zum Stichwort „Unkosten“ verteilte er dann auch die Präsente aus. Der Präsentkorb war eine Plastetüte mit Nudeln, Schwarzbrot, einer Dose Linsen und so eine Art Jogurt – Kompott. Das waren dann die in dem Brief angepriesenen Spezialitäten.

Wer jetzt wohl gerne wieder nach Hause gefahren wäre, hätte dann wohl ein kleines Problem mit der Rückreise gehabt. Also gab es kein zurück mehr. Denn nach einer kurzen Autobahnfahrt waren sie bei der Verkaufsstelle in einem Vorort in Berlin (Belzig) angekommen. Das war eine Art umgebautes Restaurant, in dem viele kleine runde Tische aufgestellt waren. An der Seite standen dann noch verschiedene Geräte und Produkte, die später verkauft wurden. Dann stellte sich der Verkäufer bei uns vor und die üblichen Geschäfte wurden abgewickelt.

Es wurden hauptsächlich Vitaminkuren angeboten, die unter massiven Druck verkauft wurden. Ein ausführlicher Vortrag wurde gehalten: (Dass man ja viel zu wenig für seine Gesundheit tue und die Leute ihr Geld viel lieber für teure Sportwagen ausgeben. Dass sich Ärzte nicht mehr richtig sich um ihre Patienten kümmern würden und meistens nur unnötige Pillen verschreiben würden und Heilpraktiker heutzutage viel zu teuer seien.)
Fazit: Man müsse sich eben seine Gesundheit schon etwas kosten lassen.

Die Verkaufsstimmung war aggressiv. Billigartikel wurden überteuert verkauft. Es wurden Tabletten für 160 Euro angeboten, die es im Internet bereits für 30€ gab. Einem alten, kranken Man wurden Vitaminpillen angeboten. Er wollte sie erst nicht haben, doch dann überredete der Verkäufer Ihn die Pillen für nur 489,-€ zu kaufen. Der Verkäufer wolle ja schließlich nur das Beste für ihn und für seine Gesundheit!

Die gesamte Veranstaltung ging, mit einer einstündigen Pause, in etwa sieben Stunden lang. Es wurden dann im zweiten Teil der Veranstaltung noch weitere Produkte, wie zum Beispiel Uhren, Schmuck, Ledertaschen und diverse Elektroartikel angeboten. Der Altersdurchschnitt war 55 Jahre.

Während der Veranstaltung wurden Karten ausgeteilt, die eine Art Gewinnspiel samt Umfrage zu marketingrelevanten Daten enthielten (Freizeitinteressen, Weintrinker, welcher Energieversorger, welche Urlaubsziele interessieren Sie, bei welchem Versandhandel sind Sie Kunde, hören sie DVDs und welche, interessieren sie sich für Tierschutz, welches Handy nutzen sie, haben Sie Interesse an einer Nebentätigkeit und so weiter halt…).

Aber es war nicht alles nur Betrug:
Einziger Trost war nämlich das Ende der Veranstaltung, denn die versprochene Unterhaltung wurde eingehalten und alle bekamen eine tolle Jonglier-Vorführung. Der Jongleur hob die Stimmung der Reisenden wieder. Schließlich waren, wie man später erfuhr, über die Hälfte der Besucher „Hauptgewinner“ eines von dieser Firma veranstalteten Eröffungsgewinnspiels.